Liebe Leute,
heute erscheint das Debut Album “Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd” der Band Nullmillimeter auf meinem kleinen Label Fressmann. Als ich die Platte das erste Mal hörte, schrieb ich spontan einen kleinen Text. Der sagt eigentlich alles darüber aus, warum ich dieses Album veröffentliche und wie es dazu gekommen ist:
Ich habe gerade das erste Mal das Album “Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd” gehört, und jetzt renne ich über meine innere Wiese, um alle Gedanken und Gefühle einzufangen, die wie aufgescheuchte Hasen kreuz und quer über das Feld jagen. Hoffentlich erwische ich jeden einzelnen, sonst bleibt der Bericht unvollständig, aber das wird er wohl ohnehin. Bei diesem über einstündigen Sturz in ein Universum aus Wörtern und Musik bleiben alle Bilder verwischt, oder einfacher gesagt: es hat mir das Gehirn raus gesprengt, einmal neu sortiert und wieder sanft zusammengefügt. Und das Herz dazu.
Es gibt eine bestimmte Sorte Sehnsucht, eine ganz eigene Art von Melancholie und Lebensfreude, die nur wenige Menschen in Musik gießen können. Naëma Faika und ihre Band Nullmillimeter haben das geschafft. Jedenfalls bei mir. Während ich auf meinem Sofa lag, die Arme in Blumen-Haltung über mir, und diese 12 Songs über mich ergossen habe, gab es glaube ich keine Emotion, die nicht in mir zum schwingen gebracht wurde. Siehe aufgescheuchte Hasen. Song für Song hat mich am Kragen gepackt, irgendwo hin geschleudert, drei mal um mich selbst gedreht, und bevor ich auch nur “toll” sagen konnte kam schon der nächste und hat das gleiche nochmal gemacht. Und nochmal. Und nochmal.
Dieses Album ist so tief und so breit wie die Songs lang sind, und ich will gar nicht wissen, wieviele Spuren die Aufnahme-Sessions gehabt haben müssen, um so einen Klang zu erzeugen. Ich schätze mal ein dutzend Kraken wären wahrscheinlich nicht ausreichend, um alle Fäden in den Händen zu halten, aber das Erstaunliche ist, oder das Unfassbare, dass es dieses Dutzend anscheinend wirklich gab, denn alles klingt wie aus einem Guss, all dieses Getöse, Rauschen, Raunen, Flüstern und Kreischen, der Beat, die ständigen unvorhersehbaren Wendungen, ein Sound von Sommerwind bis Orkan, und nur wer diese Arrangements selber gehört hat, kann verstehen, was ich meine. Ich bemühe mich erst gar nicht, hier irgendwelche Band-Referenzen zu zitieren, ich habe eh keine Ahnung von Musikgeschichte. Es muss reichen wenn ich sage: Es ist, als ob meinem einem lebendigen Element beim Tanzen zuschaut. Nur mit den Ohren. Und es hat mich erschüttert bis in die Fingerspitzen.
Normalerweise kommt jetzt die Stelle, an der ein Rezensent Text-Zitate einbaut, um dem Leser eine Vorstellung davon zu geben, was ihn zu erwarten hat. Ich sage nur: Fuck off. Und damit ist alles erzählt. Nur soviel: Es sind keine Songtexte, es sind Geschichten, die jeweils ihren passenden Song geheiratet haben. Und in ihrer Intensität, ihrer Authentizität und ihrer Wucht diesen selber mitreißen, auf die Füße stellen, wieder herumwirbeln und zu Boden sinken lassen. Es ist eine Symbiose, ein Verschmelzen und wieder Auseinandergehen, und manchmal fällt es schwer zu sagen wer den Tanz führt, die Geschichte oder die Musik. Ist das leichte Kost? Auf keinen Fall. Wer als Präludium eine Minute lang nur den Wind rauschen lässt, schreckt vor gar nichts zurück. In diesem Fall: Sich Zeit zu lassen. Zeit ist eine wichtige, wenn nicht DIE wichtigste Zutat dieser so außergewöhnlichen Platte. Vermutlich hat sich das letzte Mal eine Band in den 70ern getraut, ihre Songs so auszuformulieren – und dann auch noch, ohne eine Sekunde zu nerven oder zu langweilen. Aber das Geschenk, dass einem dort gemacht wird, bekommt man nur, wenn man seinerzeit ein Geschenk macht – sich nämlich selber Zeit nimmt, eine stille Stunde, um dieses Album zu hören und einzuatmen. Jetzt habe ich fast alle Hasen an den Ohren.
Das Album zu hören ist, als ob man die quietschende und halb überwucherte Tür zu einem geheimen Garten aufdrückt, der immer größer wird, je länger man in ihm herumwandert. Und der, selbst wenn man an der selben Stelle zweimal vorbeikommt, jedes Mal anders aussieht. Es schimmert, vedreht sich in sich selbst, und explodiert in tausend Farben bevor es sich wieder zusammenfügt und so tut, als wäre das immer schon so gedacht gewesen. Mit einer fast schon quälenden Mischung aus tiefster Rastlosigkeit und sprudelnder Lebensfreude. Was soll ich sagen. Ich habe vor einem Jahr den ersten Song von Naemi gehört, und durch einen wundersamen Zufall haben sich unsere Wege gekreuzt und dazu geführt, dass ich ihr Debut-Album auf
meinem Label veröffentlichen darf, und ich freue mich darüber sehr. Denn ich sage das nicht oft, und, je älter ich werde, desto mehr gehen mir Bands und Songwriter auf den Keks, aber das hier, diese Songs, diese Musik, die liebe ich aus tiefstem Herzen. Am Ende also vielleicht dann doch noch ein Text-Zitat:
“This is a love song. This is your love song”.

Auf youtube gibt es schon einige großartige Videos zu den Singles! Ab sofort gibt es das Album auf allen Streaming Plattformen zu hören:
Apple: https://music.apple.com/de/album/wer-die-wahrheit-sagt-braucht-ein-schnelles-pferd/1615529700?l=en
Spotify: https://open.spotify.com/album/6qhO5s6y3LEjN0Wo3eJ7Zv?si=PetFcOLDSneVswtVzds97Q
Kaufen kann man zudem eine tolle Doppel-Vinyl und eine CD:
https://www.jpc.de/jpcng/poprock/detail/-/art/nullmillimeter-wer-die-wahrheit-sagt-braucht-ein-schnelles-pferd/hnum/10857837
Und am 22. April gibt’s im Privatclub Berlin das Release Konzert. Tickets hier! Das wird eine Sause. Ich hoffe, das Album gefällt euch so gut wie mir und wir sehen uns da 🙂
Schönen Gruß!
Wolfgang
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Ich gratuliere Ihnen zu diesem Aufsatz und freue mich insbesondere, dass ein “Kulturschaffender” so klar und menschlich Stellung bezieht. Es ist diese Angst vor dem geringsten Schmerz, die schon dem entschlossenen Schulhofschläger seine ungestörte Brutalität erlaubte, weil auch die eigentlich Starken zitternd wegschauen statt einzugreifen. Und so versuchen die “Guten”, Putin zu enträtseln und sind nicht bereit, für die Ukraine auch nur kalt zu duschen…bewundernswert Gruß, K.Fischer, 63 Jahre, aufgewachsen in der Norddeutschen Tiefebene, mit Schallmauerknall vertraut.