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The untold story of “Unter meinem Bett”

von Wolfgang Müller

Heute erschien ein großer Beitrag in der taz zum Thema moderne Kinderlieder am Beispiel der Reihe “Unter meinem Bett” als Pionier-Werk, das ich 2015 zusammen mit Markus Langer gegründet hatte. Der Artikel hat mich ziemlich durchgeschüttelt, denn damals, nach dem Release von “Unter meinem Bett”, und nachdem ich das allererste “Unter meinem Bett” Konzert in der Fabrik organisiert hatte, hatte ich einen so allumfassenden Burnout, dass ich gezwungen war, das Projekt und die folgenden Sampler abzugeben, weil ich nur noch schlafen und essen konnte. Bis heute habe ich immer “aus Zeitgründen” gesagt wenn mich jemand fragte, warum ich die Reihe nicht weiter betreue, aber das ist nicht wirklich die ganze Geschichte.

Ich hatte nach der Gründung meines Labels 2012 direkt mein Märchen-Projekt “Deutsche Singer-Songwriter lesen Gebrüder Grimm” aus dem Boden gestampft, eine Doppel-CD mit dem Namen “Es war einmal und wenn sie nicht”. Markus Langer von Oetinger kam danach auf mich zu und schlug vor, eine Kinderlied CD zusammen zu produzieren, mit mehr oder weniger demselben Setting. Ich fand die Idee super, und so schritten wir zur Tat.

Ich fragte meine Lieblingsmusiker an, und Jules Wenzel, die das Artwork für die Märchenplatte gemacht hatte, kam ebenfalls mit an Bord. Ich wusste, dass Sie nebenbei diese Puppen machte, und fand das eine lustige Idee. In diesem Jahr, 2015, kam außerdem auch noch mein 5. Album “Auf die Welt” raus, und ich spielte in dem Jahr zwei Konzert-Touren. Meine Kinder waren damals 5 und 7, ich hatte noch einen zweiten Selbständigen-Vollzeit-Job obendrauf, weil das Geld sonst nicht reichte, so daß ich nur noch, und zwar wirklich nur noch, arbeitete. Ich erinnere mich, dass ich so gestresst war, dass ich ständig rumgeschrien habe und nicht mehr richtig schlafen konnte. Alles lief wie in einem Film vor mir ab, die Konzerte und mein Album rauschten nur noch an mir vorbei, ich nahm nichts mehr wahr, alles nur noch Bälle, die man wegschlagen musste.

Der Release von Unter meinem Bett rückte näher, und ich hatte das Gefühl, ohne Release-Konzert wäre das keine richtige CD. Also organisierte ich auch noch im Alleingang das Release-Konzert in der Fabrik, auf eigenes finanzielles Risiko, und ohne dass man jemals zuvor so ein Kinder-Erwachsenen-Konzert veranstaltet hätte. Es gab keine Blaupause, und mir wurde übel bei dem Gedanken, was alles schief gehen könnte. Allein schon aus Sicherheitsgründen, ich war ja kein professioneller Veranstalter. Auf die Idee, mir Hilfe zu holen kam ich natürlich nicht. Mit letzter Kraft organisierte ich damals sogar noch Kinderschminken, Catering, Übernachtungen, Merch – einfach alles. Am Tag des Konzerts hatte Käptn Peng dann noch einen Umfall und konnte nicht kommen. Ich brüllte seinen Manager am Telefon an, obwohl der ja nun wirklich nichts dafür konnte. Sorry Mario, nachträglich. Ich glaube, dass wirklich jeder der damals mit mir zu tun hatte, mich für einen kompletten Choleriker und Kontrollzombie halten musste.

Dann ging das Konzert los: Ich war der erste Act und spielte die ersten zwei Songs auf dem Konzert, und war so erschöpft, und so am Ende, dass ich mit zitternden Fingern einfach nur meine zwei Lieder runter schrubbte und quasi von der Bühne kroch. Die armen Kinder. Stimmung war was anderes. Zum Glück kam danach Bernd Begemann und legte den Grundstein für das, was heute die “Unter meinem Bett” Konzerte ausmacht: Richtig tolles Entertainment.

Die Tage danach war ich wie betäubt. Ich hatte weder das Konzert genießen können, noch freute ich mich, dass die CD fertig war. Da war nur dumpfes Grau. Alles war nur ein weiterer Haken an einem Punkt einer endlos langen Todo-Liste. Ich fühlte nichts mehr, meine Familie nicht, Freunde nicht, mich nicht, gar nichts mehr. Keine Freude, keine Erleichterung. Ich hatte in diesem Jahr so viel auf die Beine gestellt wie noch nie zuvor, und ich fühlte – nichts. Ich starrte stumpf und ohne jede Emotionen auf das Erreichte und wusste nicht mehr, wofür. Kurze Zeit später bekam ich eine Mail von Markus – wir müsste sofort mit dem 2. Teil beginnen. Die CD war so erfolgreich, dass wir daraus auf jeden Fall eine Reihe machen müssten. Jetzt.

Ich bekam die Mail an einer roten Ampel im Auto, und fuhr rechts ran als es grün wurde, ich weiß noch, es war an der Rothenbaumchaussee, fast an der Uni. Ich guckte auf diese Mail, und fing an zu zittern, denn ich wusste, ich hatte keine Kraft mehr. Es war nichts mehr übrig. Ich ahnte, dass ich da auf eine Goldader gestoßen war, aber ich wusste gleichzeitig, dass ich mich entscheiden musste – entweder ich zog jetzt die Notbremse, oder ich würde kaputt gehen. Ich stellte mir vor, wie das ganze Jahr von vorne losgehen würde. Wie ich mit Musik-Managern um Vertragsdetails feilschen müsste, ein neues Album kuratieren, die Konzertreihe ausbauen (es gab da schon Anfragen aus ganz Deutschland), und das ganze neben meinem Vollzeitjob, den Kids, und meiner eigenen Musik. Ich sah mich vor wildfremden Kindern meine Kinderlieder spielen, nebenbei alles organisieren, und gleichzeitig keine Kraft mehr für meine eigenen Kinder haben.

Ich schrieb sofort zurück: Ich kann nicht mehr weitermachen. Ich geb das Projekt an Franceso. Der Rest ist Geschichte. Bis heute habe ich das so noch nicht erzählt, aber was ich sagen möchte ist: Ich habe diese Entscheidung nie bereut. Natürlich war ich manchmal aufgewühlt, als ich sah, wie unfassbar groß und erfolgreich dieses ursprünglich so kleine Kinderlied-Projekt wurde, denn natürlich war das eine Chance, wie man sie im Leben nur selten bekommt. Wann findet man schon mal einen Topf voll Gold. Ich hätte damals nur “Ja” sagen müssen und mein ganzes Leben umbauen können, eine Kinderlied-Konzert-Agentur gründen, Spin-Offs mit produzieren, meinen 2. Vollzeitjob an den Nagel hängen vielleicht. Ich hätte es, wie man so schön sagt, mit BIG machen können. Aber eben nur theoretisch. Denn gleichzeitig muss ich nur einmal dieses Gefühl zurückholen aus dem Dezember 2015, und ich weiß, dass alles genauso gut ist, wie es ist.

Denn ein Grund für diesen Burnout, der mich dann zwei Monate lang jeden Tag 18 Stunden schlafen ließ war der: Ich war nicht auf meinem Weg. Ich wollte weder eine Konzertagentur gründen, noch wollte ich mit Musik-Managern Verträge verhandeln. Ich wollte auch nicht in dieser Geschwindigkeit eine Kinderlied-Platte nach der anderen produzieren. Ich hatte das als Liebhaber-Projekt mit gestartet, und als es dann groß und professionell werden sollte, merkte ich, dass ich mich nicht mehr zuhause fühlte. Und obwohl es also sowas wie eine “Chance des Lebens” war, war es trotzdem richtig, sie nicht zu ergreifen. Nur so konnte ich mich dann den Dingen widmen, die mich wirklich glücklich machen. Gewissermaßen war ich also “nur” der Geburtshelfer für diese schöne Reihe, aber ich freue mich trotzdem, dass es sie noch gibt, weil ich hätte nicht die Power gehabt, das so weiterzumachen.

Also falls auch mal jemand in der Situation ist, dass er einen Topf voll Gold in den Händen hält, aber dummerweise davon auf den Meeresgrund gezogen wird, meine persönliche Empfehlung:

Einfach loslassen. Es lohnt sich 🙂

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1 Kommentieren

uli 2. Mai 2022 - 10:13

Ich weiß nicht mehr, wann oder wie ich auf die erste “Unter meinem Bett”-CD stieß, aber auch für mich war das eine Goldader. Meine Kinder sind heute 6 und 14 und ohne “Unter meinem Bett” und ohne “Deine Freunde” hätte ich schon vor Jahren dafür gesorgt, dass beide ausschließlich mit Ohrstöpseln hinten im Auto sitzen. Wie traurig wäre das gewesen? Stattdessen singt die ganze Familie mit und ich bin dir sowas von dankbar! Kinder *und* Eltern haben das Recht auf gute Musik.

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